„Zeit.Gespräche“ mit Rendi-Wagner und Fischer

Bild: David Višnjić

Die SPÖ-Vorsitzende und unser Bundespräsident a.D. im Gespräch über Demokratie, warum wir sie in diesen Zeiten immer wieder verteidigen müssen und über die Zukunft Österreichs. Anlass: Die „Zeit.Gespräche“ von SPÖ-Bildungsvorsitzendem Gerhard Schmid erscheinen als Buch!

Mit den „Zeit.Gesprächen“ hat SPÖ-Bundesbildungsvorsitzender und ehemaliger SPÖ-Bundesgeschäftsführer Gerhard Schmid ein neues, viel beachtetes Format etabliert – zunächst analog, dann virtuell und dabei immer über den Tellerrand hinausschauend. Der erste Gast war Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres. Die Bandbreite der weiteren Gäste spannt sich von Erika Pluhar über Franz Vranitzky, Lukas Resetarits, Harald Krassnitzer, Steffen Hofmann, Kardinal Christoph Schönborn und viele andere. Als besonders bewegend empfand Schmid das Gespräch mit Hugo Portisch, der sich bis zuletzt als glasklarer politischer Analytiker gezeigt hat. „Mein Dank richtet sich an die SPÖ-Bundesgeschäftsstelle und das Renner-Institut, die mich von Anfang an unterstützt haben“, betonte Schmid bei der Präsentation seines Interview-Bandes auf der Wiener „Summer Stage“.

Aufgabe der Politik ist, ein Land zusammenzuführen und nicht zu zerreißen

Höhepunkt der Präsentation: Unsere Vorsitzende, Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner diskutierte mit Alt-Bundespräsident Heinz Fischer unter anderem über den Zustand der Republik. Für die Lage in Österreich unter der Kurz-Regierung fand Rendi-Wagner klare Worte: „Ich mache mir Sorgen. Unsere Demokratie ist zumindest auf einer schiefen Ebene. Denn wir haben eine Bundesregierung, die die Institution des Verfassungsgerichtshofs ignoriert, die das Parlament diffamiert und die Justiz und Staatsanwält*innen persönlich attackiert sowie Kritiker*innen und Medien einzuschüchtern versucht.“ Österreich ist nicht Ungarn, aber man kann sehen, wie antidemokratische Strömungen ihren Anfang nehmen. „Ich will nicht sehen, wo das weiter hinführen kann in Österreich. Deshalb muss dieser Irrweg so rasch wie möglich beendet werden“, so Rendi-Wagner. Vor 20 Jahren habe es in der Politik noch einen Konsens gegeben: „Den Respekt vor der Demokratie und dem Rechtsstaat. Dieser Konsens ist mehr oder weniger verloren gegangen“, sagte Rendi-Wagner. Fischer erklärte, dass „der Kampf und das Bemühen um die Demokratie eine dauernde Aufgabe“ ist.

Die Sozialdemokratie führt seit 130 Jahren den Kampf für die Demokratie „und wir werden diesen Kampf noch lauter und mutiger führen. Denn die Demokratie ist zerbrechlich“, sagte Rendi-Wagner. Es ist leicht, zu spalten und zu polarisieren. „Mittel- und langfristig aber schwächt es die Gesellschaft“, betonte Rendi-Wagner. „An der Spitze eines Staates ist es erste und vorrangigste Aufgabe der Politik, ein Land zusammenzuführen und damit zu stärken – und nicht zu zerreißen“, erklärte die SPÖ-Vorsitzende in Hinblick auf die Kurz-Regierung. Sie geht jedoch davon aus, dass Kurz als Kanzler eine kurze Halbwertszeit habe: „Warum glaube ich nicht, dass er es weit bringt? Weil die Menschen diese Polarisierung satthaben.“ Auch Fischer betonte „eine unerfreulich zunehmende Tendenz zur Polarisierung, zu Spaltung und zu Egoismus“. Doch: „Wir müssen wissen, dass jede Regierungsform das Werk von Menschen ist, das Produkt menschlichen Wollens, Handelns und Reagierens“, ergänzte Fischer. In der Geschichte der Menschheit sei noch jede Diktatur kaputtgegangen. „Aber auch die Demokratie ist nicht unzerstörbar.“ Um die Demokratie muss man sich jeden Tag kümmern.

Es braucht starken Sozialstaat  

Zutiefst überzeugt ist Rendi-Wagner, dass es gerade jetzt eine starke sozialdemokratische Politik braucht. Die ungerechte Verteilung von Chancen und Vermögen ist noch verschärft worden durch die Pandemie. „Es war für alle in dieser Krise spürbar, auf wen sie sich seit Beginn der Pandemie verlassen können. Es ist der Sozialstaat, der uns sicher durch die Krise geführt hat – auf unseren Sozialstaat konnten sich die Menschen verlassen“, so Rendi-Wagner, die betont, dass es die Sozialdemokratie ist, die den Sozialstaat erkämpft und immer wieder verteidigt hat. „Politik ist nicht Selbstzweck, sondern hat die Aufgabe, die Lebenssituation der Menschen zu verbessern“, sagte Rendi-Wagner.

Fischer betonte, dass die Sozialdemokratie angetreten ist, um die Gesellschaft zu verändern, gerechter und sozialer zu machen. Die Wirksamkeit der Sozialdemokratie ist nicht nur in Wahlresultaten zu sehen, „die ungeheuer wichtig sind“, sondern auch in den Wohnmöglichkeiten, der Emanzipation der Frauen, der Sozialpolitik, dem Arbeitsrecht. „Wir brauchen beides: die von uns geprägte Gesellschaft und den Auftrag, in diesem Sinne weiterzumachen“, so Fischer. Wichtig ist, dass die Sozialdemokratie zu ihren Überzeugungen steht und dafür kämpft.

SERVICE: „Zeit.Gespräche“ von Gerhard Schmid, Hrsg.: SPÖ-Bundesbildungsorganisation/SPÖ-Bundesgeschäftsstelle, ISBN 978-3-903989 -21-4, echomedia buchverlag